♾️Gesellschaftliche Brücken bauen


Als Reaktion auf gesellschaftliche Spannungen und Polarisierungstendenzen suche ich verstärkt nach Möglichkeiten, gesellschaftliche Brücken zu bauen und ein respektvolles Miteinander zu fördern. In diesem Beitrag blicke ich auf drei eigene Vorhaben zurück – inklusive Ansätzen, was jeder tun kann: von spontaner Zivilcourage bis hin zur Gestaltung aktiver Projekte.

“Brücken”-Philosophie

Zusammenhalt als positive Zukunftsvision

Es ist menschlich, dass der soziale, ökonomische und technologische Wandel und die gesammelten Krisenerfahrungen (z.B. Klimawandel, Kriege, Pandemie) diffuse Ängste auslösen. Jeder spürt das einmal im Blick auf aktuelles oder zukünftiges Wohlergehen – manche mehr als andere. Leider werden solche Ängste auch von demokratiegefährdenden Kräften instrumentalisiert. Dem entgegen brauchen wir einen positiven Gegenentwurf, der möglichst viele Menschen anspricht, verbindet und Zuversicht stiftet. Für eine Demokratie ist das besonders wichtig, denn hier bestimmen individuelle Einstellungen und Reaktionen auf Krisen und Unsicherheiten maßgeblich, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt.

Eine grundlegend positive Zukunftsvision ist die eines demokratischen Miteinanders, das von Zusammenhalt und freundlichem respektvollem Umgang getragen wird. Damit

  • fühlen sich Menschen wertgeschätzt,
  • entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit und Verantwortung füreinander.

Das ist besonders in herausfordernden Zeiten wichtig.

Dialog ist wichtig – individuelle Hintergründe verstehen auch

Gesellschaftlicher Dialog bietet die Chance, dass Menschen sich gehört fühlen. Leider ist es nicht einfach, Dialogräume so zu gestalten, dass sie auch wahrgenommen werden. Aus meiner Sicht braucht es hierfür eine Vielfalt an Angeboten, die unterschiedlichen Zielgruppen und Milieus ansprechen. Der “kleinste” gesellschaftliche Dialog findet oft schon in Familien oder anderen privaten Räumen statt – auch hier treffen manchmal bereits gegensätzliche Perspektiven aufeinander.

Ansichten wachsen oft aus lang zurückliegenden Ereignissen und Erfahrungen. Dieser individuelle Kontext bleibt oft verborgen, obwohl darin ein Schlüssel für mehr gegenseitiges Verständnis liegt. Wir sollten also versuchen, uns individuelle Hintergründe bewusst zu halten.

In meiner Vorstellung haben wir verschiedene “Sphären”: Weltanschauungen sind nur ein Teil davon. Daneben gibt es Rollen in Familie, Beruf und Hobbies sowie Erfahrungen, Erinnerungen und innere Konflikte. Das macht uns interessant: bei jedem von uns ist der Mix unterschiedlich. Gleichzeitig kann es herausfordernd sein, unterschiedliche Werte und Einstellungen auszuhalten. Deswegen halte ich die “Sphären”-Metapher für hilfreich, denn sie hilft über Unterschiede hinwegzusehen und Gemeinsamkeiten in anderen Bereichen zu entdecken – und darüber Brücken zu schlagen. So kann es gelingen, sich auf das Gegenüber als Ganzes einzulassen – als Mensch eben, ohne Abwertung und bereit, gewisse Unterschiede auszuhalten. Oft stellt sich heraus, dass diese weniger groß als gedacht sind, z.B. wollen fast alle das “Gute”. Anm.: Bild KI-generiert.

Die goldene Mitte – oder: Vom Zaun ist die Aussicht besser

Dinge begegnen uns häufig als “absolut” bzw. als “die eine Wahrheit” – etwa um Aufmerksamkeit zu erregen, eine Agenda zu verfolgen, oder einfach unbedacht ohne tiefere Absicht. In Wirklichkeit ist die Realität nun einmal komplex. Dummerweise mögen wir Menschen es einfach. Mir fallen trotzdem gute Gründe ein, absolute Aussagen gut zu reflektieren:

  • wenige Dinge sind wirklich absolut: Naturgesetze vielleicht, doch gerade für soziale und gesellschaftliche Fragen ergeben sich bei ausgewogener Betrachtung meist unterschiedliche Perspektiven. Diese erfordern Balance.
  • Akzeptanz der eigenen Unwissenheit (“Ignoranz”) – vgl. Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß.
    • wenn wir ehrlich sind, wissen wir meist zu wenig, um ernsthaft über etwas absolut urteilen zu können,
    • die Einsicht der eigenen Unwissenheit ermöglicht Erkenntnisgewinn.
  • Offenheit schafft Möglichkeiten: absolutes Denken kann einschränken.
  • Empathie und Verständnis: Perspektiven und Bedürfnisse sind leichter sichtbar.
  • zu viel einseitige Absolutheit führt zu Radikalisierung: das schließt insbesondere extrem linke und rechte Positionen ein.

Aus diesen Gründen bin ich ein Fan von differenzierten Positionen der Mitte. Daraus lässt sich besser vermitteln bzw. Brücken bauen.

Auf dem Zaun sitzen heißt, die Aussicht in beide Richtungen genießen zu können.
(noch besser ist nur, wenn gar kein Zaun vorhanden ist)

Was sich tun lässt – drei persönliche Projekte/Ideen

Die folgenden Beispiele sind aus persönlichen Überlegungen und Begebenheiten entstanden. Ich bin überzeugt, dass jede/r die/der aufmerksam nach Gelegenheiten schaut, tolle eigene Ideen finden wird, um etwas für respektvollen Umgang und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu tun. Der schwierigste Schritt ist die bewusste Entscheidung, Ideen auch umzusetzen – und sich wo nötig passende Unterstützung zu suchen. Gemeinsam und/oder mit Unterstützungsstrukturen geht es einfacher.

🌅Horizonte-Tour: Erfahrung von Gemeinschaft und Dialog

Filterblasen müssen durchbrochen werden, um wirksam gesellschaftliche Brücken zu schaffen oder zu erneuern. Deswegen brauchen Dialogräume ein gutes Konzept, das Menschen aller Gesellschaftsbereiche bzw. aller Ansichten einlädt.

Ziel der “Horizonte-Tour” war eine von mir durchgeführte Veranstaltungsreihe, um Menschen mehr füreinander und für Dialog zu öffnen. Die Erfolgsfaktoren/Strategie dafür waren aus meiner Sicht:

  • emotionale Öffnung zuerst: dafür habe ich einen persönlichen Weg gewählt: eine eigens konzipierte Zaubershow, die über Gemeinschaftserfahrungen ein positives menschenfreundliches Wertebild signalisiert (mehr dazu hier),
  • Minimierung von Zugangsbarrieren (finanziell/zeitlich/räumlich): kostenfreier Eintritt, wechselnde Veranstaltungsorte in der Nähe der Menschen (im ländlichen Bereich oft Kirchen – als zuverlässig vorhandene Struktur),
  • Zusatzangebote wie Kaffee & Kuchen für Dialog in Pausen oder im Anschluss (von Veranstaltungspartnern organisiert).
  • Bildmotive zum mitnehmen: zur Verankerung der Erfahrung bzw. als weiterführende Fragen (siehe zweite Bildreihe unten).

Im Ergebnis entstanden 2024 insgesamt ca. 15 öffentliche Veranstaltungen in Jena und Umland, bei denen jeweils 30-40 Personen kamen. Das ist solide, dennoch hatte ich mir anfangs sogar mehr erhofft – aber natürlich zieht auch dieses Format nicht jeden an.

Das Ganze war ein ziemlich großes Projekt, das ohne Projektförderungen (u. a. der reCoVer Stiftung) und ohne engagierte Personen hinter den verschiedenen Veranstaltungsorten nicht möglich gewesen wäre. Von den unzählig vielen Menschen, die das Vorhaben unterstützt haben, möchte ich stellvertretend Xenia Reich-Hemmerich, Christina Prothmann und Pfarrerin Friederike Costa hervorheben.

Transferüberlegungen. Um eine Gemeinschaftserfahrung zu initiieren, muss es definitiv keine Zaubershow sein, auch Kaffee & Kuchen oder Musik können Menschen anziehen – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Besonders in Nachbarschaften kann sich jede/r persönlich einsetzen. Eine starke lokale Gemeinschaft kann helfen abzufedern – und selbst nicht wegzuschauen, sondern Verantwortung für unser Miteinander zu übernehmen.

🏰Instagram-Projekt: Weltoffenheit trifft Heimatliebe

Eine zentrale Herausforderung von Demokratieinitiativen ist, zurückgezogene Milieus zu erreichen und Filterblasen zu durchqueren.

Weltoffenes Thüringen ist eine dieser Initiativen: ein Zusammenschluss verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure in Thüringen. Das Bündnis setzt sich für Toleranz ein, freundlichen Umgang und Achtung von Menschenwürde. Ich unterstütze Weltoffenes Thüringen als Bündnis der Mitte – frei von Ideologie.

Dafür kam mir im Sommer 2024 die Idee, eine Brücke von Heimatliebe hin zu Weltoffenheit zu schlagen – also “Konservatives” mit “Progressivem” zu verbinden. Dabei ist ein Instagram-Projekt mit ca. 20 Videoclips (“Reels”) von Thüringer Orten entstanden – jeweils mit einem Fahnenbekenntnis für “Weltoffenes Thüringen” – wortwörtlich über eine Art Fahnenjonglage. Das Ergebnis ist hier dauerhaft einsehbar:

Strategische Faktoren des Projektes waren:

  • eine konkrete Brücke, um Milieus zu verbinden: Heimatliebe passt zu Weltoffenheit (“die schöne Heimat der Welt zeigen”).
  • Zusammenarbeit mit größeren Instagram-Accounts: um (1) Filterblasen zu durchbrechen und (2) Reichweite zu erhöhen. In diesem Projekt besonders mit regionalen Accounts aus dem Tourismus-Bereich.
  • Attraktive Inhalte: so gut wie möglich eben. Ich habe mein Bestes über visuelle “Fahnenjonglage” und Videoschnitt gegeben. Mit Anesco hat mich an einem Tag sogar ein erfahrener Drohnenpilot unterstützt (danke!). Dabei ist z.B. das folgende spektakuläre Video von der Leuchtenburg entstanden!
  • sechswöchige Instagram-Anzeige für das Abschlussvideo/Reel (s.u.): gezielt für ländliche Regionen.

Eine wichtige Erkenntnis des Projektes war, dass allein der Begriff der “Weltoffenheit” bereits auf Ablehnung stoßen kann (beispielsweise durch unterschiedliche Interpretationen). Begriffe müssen also sorgfältig gewählt sein. Verallgemeinern lässt sich, dass “Red Flags” so gut wie möglich zu meiden sind – wofür ein gutes Verständnis der Zielgruppe notwendig ist. Das ist in der kurzlebigen Social-Media Welt noch wichtiger. Aus diesem Grund habe ich im Abschlussvideo im Videotext bereits “Thüringen zusammen” als Alternative zu “Weltoffenes Thüringen” genutzt. So schön wie ich das “Weltoffene Thüringen” Logo persönlich finde – am Ende kommt es auf die Wirkung an.

Das Abschlussvideo der Videoserie
Thüringenkarte mit Orten,
die ich im Projekt besucht habe.
Weltoffenheit trifft Heimatliebe
beschränkt sich jedoch nicht nur
auf ein Bundesland.

Thüringen wurde jahrhundertelang von konkurrierenden Herrschaftshäusern geprägt, die dennoch auf engstem Raum weitestgehend friedlich miteinander existierten. So entstand eine vielfältige historische Landschaft.

Treten wir auch heute trotz Unterschieden gemeinsam FÜR die Welt und ihre Herausforderungen ein – mit etwas Optimismus, voll Respekt und Freundlichkeit, gemeinsam statt einsam. 💚

Der Text zum Abschlussvideo

Transferüberlegungen. Wer sich im digitalen Raum engagieren will, muss das nicht gleich über eine groß angelegte Kampagne tun. Social Media bietet viel Spielraum – z.B. für Zivilcourage. Leider gibt es genug abwertende Kommentare, womöglich zum großen Teil sogar Bot-gesteuert, die sich auf das gesellschaftliche Klima auswirken. Sie sähen Zweifel und erschüttern Vertrauen. Dem entgegen kann ich dazu ermutigen, hin und wieder ein Zeichen zu setzen (natürlich die eigene Gesundheit im Blick haltend) – und wenn es dafür ist, jemand anderes in Schutz zu nehmen. Letztendlich gilt schließlich:

Umgangsformen stecken an. 👐

🙏Wertschätzung “on the go”

Im Vergleich zu den vorherigen (wirklich zeitintensiven) Projekten, ist dieses vielleicht das niedrigschwelligste – gleichzeitig aber mit großer Wirkung: kleine Karten, die Menschen im Alltag mit sich führen und an andere Personen als Wertschätzung überreichen können (z.B. um Zivilcourage zu würdigen).

Das Potenzial ist deswegen so groß, weil sich jeder über aufrichtige und authentische Wertschätzung freut (und ein bisschen auch braucht). Alles was es dafür braucht, ist ein geeigneter Kontext – und etwas bedachten Einsatz (nicht zu inflationär).

Diese Kärtchen ermöglichen einzigartige Erfahrungen im Alltag: Wertschätzung zu streuen, wo sie kaum erwartet wird – und dennoch gut tut und notwendig ist. Probiere es einmal aus! Auf Nachfrage gebe ich gern “wunderbar” Kärtchen ab.

Fazit und Ausblick

Sich selbst für Menschlichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt, respektvollen Umgang sowie Werte wie Zivilcourage, Weltoffenheit und Toleranz zu engagieren kann zunächst Überwindung kosten. Nicht nur ist es Aufwand, auch kann die Sorge bestehen, Nachteile zu erfahren (z. B. durch das öffentliche Beziehen von Haltung). Natürlich muss jede/r am Ende selbst die Entscheidung treffen – meiner Erfahrung nach gibt Engagement für ein positives Miteinander langfristig jedoch sehr viel zurück.

Ich denke also, es lohnt sich. Ich freue mich jedenfalls, immer wieder neue kreative Weg zu finden, sich für gesellschaftliche Brücken und ein gutes Miteinander einzusetzen. Insgesamt braucht es viele, die das tun.

Welche Möglichkeiten zum Bau gesellschaftlicher Brücken siehst Du/sehen Sie in deinem/Ihrem Umfeld?


As always – wishing you wonder and delight. 🌟 Take care – Frank

Share via
Copy link