🎓Die Zukunft des Lernens – Essay und Fallstudie


Beim Bundeswettbewerb Jugend forscht 2025 haben Marius Strauß und Oskar Rost aus Jena mit ihrer KI-gestützten Lernplattform Autograde.AI sensationell den Bundespräsidentenpreis für eine außergewöhnliche Arbeit errungen. Dieser Erfolg unterstreicht die Aktualität des Themas: Bildung befindet sich inmitten einer KI-bedingten Transformation.

Nach unserem Gespräch beim Bundeswettbewerb habe ich mich mit Marius und Oskar erneut getroffen und darf ihre Plattform hier nun als “Fallstudie” vorstellen. Darauf aufbauend werfe ich in diesem Essay einen Blick auf didaktische, technologische und gesellschaftliche Aspekte der KI-Transformation im Bildungsbereich. Diese betreffen nicht nur den schulischen Kontext, sondern auch die Hochschul- und Erwachsenenbildung, eingeschlossen Fortbildungen in Unternehmen.

Es geht um nicht weniger als die Zukunft des Lernens.


🔍Fallstudie Autograde.AI: KI-gestützte Lernplattform

Traditionelle Schulbenotungen sind zeitintensiv, subjektiv und nicht immer transparent. Das stellten Marius und Oskar fest und nahmen sich vor, “eine Plattform zu entwickeln, die Tests schnell bewertet, Fehler klar aufzeigt und den Schulalltag für Lehrer und Schüler erleichtert”. Mit Erfolg: Ihre KI-gestützte Plattform Autograde.AI integriert nun KI-Sprachmodelle für ein modernes Lernerlebnis:

  • Lehrkräfte können Tests erstellen und diese automatisch von KI benoten lassen.
  • Punktabzüge werden begründet. Das schafft Transparenz und Schüler erhalten schnell (!) individuelles Feedback.
  • Schüler behalten einen Überblick über ihre Lernleistungen und erhalten personalisierte Vorschläge für Lerninhalte.
  • Schüler können mit KI-Sprachassistenten über ihre Lerninhalte chatten.

Damit konnten Marius und Oskar die meisten Anforderungen aus ihrer systematischen Analyse der Bedürfnisse von Schülern und Lehrkräften bereits umsetzen. Für Lehrkräfte war insbesondere die Reduzierung der Korrekturzeit und der Arbeitsbelastung relevant – gerade in Zeiten des Lehrermangels. Gleichzeitig wünschen sie sich eine benutzerfreundliche Plattform bzw. angemessene Schulungen, um KI-basierte Systeme effektiv in ihren Unterrichtsalltag zu integrieren.

Marius und Oskar hatten zu Beginn ihrer Arbeit auch die Einstellung zu KI erfragt. Dabei sahen Lehrkräfte nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Dazu gehören mögliche Fehlbewertungen, der Verlust menschlicher Einschätzung und Herausforderungen beim Datenschutz. Autograde.AI hat diese Bedenken bereits in der Entwicklung berücksichtigt, um die Vertrauenswürdigkeit der Lösung zu erhöhen. Zum Beispiel:

  • Validierung von KI-Bewertungen: Hierfür wurden vergleichend Lehrerbewertungen echter Schülerarbeiten herangezogen. Zwar sind noch weitere Studien nötig, jedoch erscheint mir das Potenzial für Zeitersparnis, Objektivität und höhere Transparenz auf mich plausibel.
  • Korrekturfunktion für Lehrkräfte: Damit können Lehrkräfte KI-Bewertungen notfalls korrigieren. Das ist wichtig: Die Entscheidungshoheit und Verantwortung bleibt beim Menschen (“Human in the Loop“).

KI und Lehrer sollen also zusammenarbeiten: Die KI hilft bei Personalisierung und der Automatisierung wiederholender Aufgaben, während Lehrer weiterhin ihre Erfahrung einbringen, um faire und akzeptierte Bewertungen sicherzustellen.

Natürlich gibt es für Autograde.AI noch Grenzen und Herausforderungen, darunter

  • die aktuell begrenzte Bewertungskapazität bei komplexen Textaufgaben,
  • die Schaffung einer technischen Abhängigkeit und die Digitalisierung als Voraussetzung,
  • Bedenken in Bezug auf den Datenschutz (momentan werden noch Sprachmodelle von OpenAI genutzt) und
  • allgemein die Herstellung der notwendigen Akzeptanz.

Bis zu einem breiten Einsatz der Plattform ist es folglich noch ein gutes Stück Weg. Der Bundessieg bei „Jugend forscht” hat dem Projekt jedoch Sichtbarkeit verschafft. Das öffentliche Interesse wird hoffentlich dazu beitragen, dass Pilotprojekte an Schulen leichter durchgeführt werden können und die noch bestehenden Herausforderungen adressiert werden. Ich schätze das Potenzial hoch ein. Autograde.AI zeigt bereits jetzt, wie sich LLMs sinnvoll in den Unterricht integrieren lassen und eine ganzheitlichere Lernerfahrung ermöglichen können. WEBSITE

Mit geringfügigen Anpassungen dürften auch andere Bildungsbereiche von ähnlichen Ansätzen profitieren, insbesondere die Hochschulbildung. Tools wie Autograde.AI können somit den Transformationsprozess in der Bildung katalysieren. Entsprechend selbstbewusst schreiben Marius und Oskar in ihrer Jugend Forscht Arbeit:

“Mit diesem Produkt [Autograde.AI] ist die Basis gelegt – jetzt geht es nur noch darum, es groß rauszubringen!”

Man kann es ihnen nur wünschen. Das sollte jedoch nicht isoliert passieren, sondern zusammen mit der Suche nach guten Antworten für richtungsweisende Fragen zur Zukunft der Bildung bzw. zum Einsatz von KI im Allgemeinen. Um diese Suche soll es im Folgenden gehen.


🧩Benötigte Kompetenzen für das 21. Jahrhundert

Bildung hat im Kern das Ziel, bestimmte Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln. Welche in der Zukunft besonders gefragt sind, wird regelmäßig in Studien und Projekten analysiert. Nennenswert sind beispielsweise

Fest steht, dass neben technischen Kompetenzen insbesonders soziale Kompetenzen an Bedeutung gewinnen. Verschiedene Modelle versuchen Kompetenzen geeignet zu bündeln, darunter die 4Ks (im Englischen die “4Cs”):

  • 🔍Kritisches Denken (engl. critical thinking): Informationen analysieren, bewerten und eigene Schlussfolgerungen ziehen können.
  • 🎨Kreativität (engl. creativity): neue Ideen entwickeln und innovative Lösungen finden können.
  • 👥Kommunikation (engl. communication): effektiv kommunizieren und verschiedene Perspektiven berücksichtigen können.
  • 🤝Kollaboration (Zusammenarbeit, engl. collaboration): erfolgreich in Teams an gemeinsamen Zielen arbeiten können.

Es gibt natürlich zahlreiche weitere relevante Kompetenzen, die bei der Orientierung in der beschleunigten digitalen Welt helfen. Medienkompetenz und “KI-Literacy” rücken stärker in den Vordergrund, ebenso wie Flexibilität. Als ganzheitliches Kompetenzmodell, das sich nicht nur auf Soft Skills beschränkt, bietet das Future Skills Framework einen guten Überblick:

  • 💻Technologische Kompetenzen: Data Analytics & KI, Softwareentwicklung, nutzerzentriertes Design, IT, Quantencomputing, etc.
  • 🌐Digitale Schlüsselkompetenzen: agiles Arbeiten, digitales Lernen, digitale Zusammenarbeit, “Digital Literacy”
  • 🏃‍♂️Klassische Kompetenzen: unternehmerisches Handeln, Eigeninitiative, interkulturelle Kommunikation, Lösungsfähigkeit, Kreativität, Resilienz und Flexibilität
  • 🌀Transformative Kompetenzen: u. a. Urteilsfähigkeit, Dialog- und Konfliktfähigkeit, Veränderungsbereitschaft, Innovationswillen.
Das Future-Skills-Framework von Stifterverband und McKinsey & Company. Quelle: Future Skills.

📝Anpassung von Leistungsnachweisen

Leistungsnachweise werden auch weiterhin zur Überprüfung und Steuerung von Lernzielen relevant bleiben. Es gibt jedoch zwei wesentliche Treiber, die eine Anpassung von Leistungsnachweisen erforderlich machen:

  • LLMs können bei Hausarbeiten oder Textaufgaben helfen bzw. diese vollständig übernehmen,
  • Lernziele verschieben sich hin zur Aneignung von Schlüsselkompetenzen (zum Beispiel der 4Ks, siehe oben).

Der erste Punkt macht ein neues Verständnis von Eigenleistung notwendig, worauf sich Prüfungsformate einstellen müssen. Der zweite Punkt wirft die Frage auf, ob und inwiefern Soft Skills gemessen werden können bzw. sollten (diskutiert z. B. beim MoVeKI2EAH Workshop “KI-Kompetenzen: Was lehren?”).

Hier ist eine Auswahl angepasster Prüfungsformate:

  1. Mündliche Prüfungen bzw. Präsentationen: erlauben eine direkte Überprüfung von Verständnis, spontaner Reflexionsfähigkeit und kritischem Denken. Damit werden sie immer wichtiger (auch aus eigener Erfahrung bei Jugend forscht). Ein weiterer Vorteil: Mündliche Prüfungen können mit schriftlichen Hausarbeiten kombiniert werden, indem die schriftliche Arbeit bzw. Thesen verteidigt und diskutiert werden müssen.
  2. Klassische Klausur- bzw. Schreibaufgaben: unter Aufsicht mit eingeschränkten/keinen technischen Hilfsmitteln.
  3. Schriftliche Projekt- und Hausarbeiten mit Reflexionsteil: (z.  B. Promptdokumentation, Analyse der von LLMs erstellten Texte, Diskussion). Die Idee ist, den Einsatz von LLMs transparent zu kennzeichnen und kritisch zu hinterfragen.
  4. Portfolio-Prüfungen: sind eine besonders interessante Prüfungsform, mit der sich längere und individuelle Lernprozesse sichtbar machen lassen. Bestandteile könnten beispielsweise Teilprojekte, Reflexionen, Recherchen und Konzeptualisierungen sein. Ganz im Sinne zunehmender Personalisierung bieten Portfolio-Prüfungen hervorragende Rahmenbedingungen für individuelles Coaching bis hin zur Karriereberatung. Sie stellen die persönliche Entwicklung in den Mittelpunkt.

Letztendlich wird eine Mischung nötig sein, da alle Formate spezifische Vor- und Nachteile haben. So sind mündliche Prüfungsformate beispielsweise nur eingeschränkt skalierbar. KI kann Prüfungsabläufe perspektivisch unterstützen (vgl. Autograde.AI). Das setzt jedoch eine geeignete Digitalisierung von Prüfungselementen voraus.

Bildungseinrichtungen und Lernmodulverantwortliche müssen für Prüfungen klare Rahmen vorgeben: Was ist erlaubt und was nicht? KI-Werkzeuge könnten beispielsweise nur zur Sprachkorrektur zugelassen werden oder generell an eine Offenlegung geknüpft werden. Tools zur Plagiats- bzw. LLM-Erkennung könnten bei der Durchsetzung dieser Vorgaben unterstützen (z.B. Turnitin oder GPTZero). Diese sind jedoch unzuverlässig und werden es aufgrund der rasanten Entwicklung von KI tendenziell auch bleiben.

Insgesamt dürfte es daher sinnvoller sein, eine gezielte Befähigung im Umgang mit KI-Tools zu vermitteln, anstatt Verbote auszusprechen. Da Prüfungen gleichzeitig kompetenzorientiert, transparent und fair gestaltet werden sollen, müssen Lehrende und Bildungseinrichtungen flexibel bleiben, um die Eigenleistung der Lernenden langfristig zu fördern.

🔄Die Rolle von Lehrenden im Wandel

Die Rolle von Lehrenden verändert sich allmählich:

  • Sie werden zunehmend zu Moderatoren und Coaches, die Lernprozesse kuratieren und fördern.
  • Wissensvermittlung bleibt zwar Bestandteil, rückt aufgrund der leichteren Verfügbarkeit von Wissen durch KI jedoch mehr in den Hintergrund.
  • Die wichtigste Aufgabe dürfte das Vermitteln von Soft Skills sein, beispielsweise die Stärkung von Eigeninitiative, kritischem Denken und sozialen Fähigkeiten (wie zuvor diskutiert). 

Lehrende spielen zudem durch alle Bildungsbereiche hindurch eine zentrale Rolle bei der Förderung von KI-Kenntnissen (“KI-Literacy”). Ihnen obliegt es, Lernenden die Grundprinzipien von KI zu vermitteln und sie anzuleiten, die Potenziale und Grenzen von KI kritisch einzuordnen, um eine kompetente und verantwortungsvolle Nutzung zu ermöglichen.

Damit Lehrende diese Aufgabe wahrnehmen können, müssen sie selbst über Grundkompetenzen für den Umgang mit KI verfügen. Sie müssen in der Lage sein, KI-generierte Inhalte zu bewerten und praktische Herausforderungen in den ihnen anvertrauten Lernumgebungen zu bewältigen. Das macht eine kontinuierliche Weiterbildung des Lehrpersonals zu KI-Themen notwendig.

Letztendlich ist die Aneignung von “KI-Literacy” eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Neben der Schaffung strukturierter KI-Weiterbildungsangebote, sollten wir im Sinne einer Innovationskultur einander ermuntern, selbst neugierig zu bleiben und eigene Fortbildungskanäle zu erschließen.

Eine besondere Rolle nehmen dabei Personen ein, die KI weiterentwickeln, KI didaktisch bzw. nutzerfreundlich aufbereiten und dediziert KI-Wissen vermitteln. KI-Botschafter sozusagen.

💡KI-Wissensvermittlung im Hochschul- und Unternehmenskontext

Stellvertretend für die vielen gesellschaftlichen Bereiche, in denen KI-Wissen vermittelt wird, betrachte ich hier den Hochschul- und Unternehmenskontext.

🏫KI-Ausbildung an Hochschulen – flexible und praxisnahe Befähigung

Lehrbeauftragte für KI bewegen sich in einem dynamischen Umfeld. Das macht eine fortlaufende Entwicklung ihrer Rolle notwendig, um effektiv zu bleiben. Drei Aspekte davon sind:

  1. Kontinuierliche eigene Fortbildung und dynamische Lehrplanentwicklung,
  2. Individuelle Vorbereitung und Orientierungshilfe für Studierende,
  3. Fokus auf Vernetzung und Technologietransfer.

Kontinuierliche eigene Fortbildung und dynamische Lehrplanentwicklung sind unabdingbar, um mit den rasanten Entwicklungen im KI-Bereich Schritt zu halten. Das umfasst die Aneignung neuer pädagogischer Methoden, mit deren Hilfe sich komplexe KI-Konzepte in verständlicher und praxisnaher Form vermitteln lassen – bei gleichzeitiger Berücksichtigung unterschiedlicher Wissensstände der Studierenden. Kursinhalte müssen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um den aktuellen Stand der Technik abzubilden. Schließlich ist KI als Methode selbst interdisziplinär. KI-Kompetenzen werden daher zunehmend in Lehrplänen aller Studienrichtigungen verankert. Benötigt werden also flexible Lehrplanstrategien, die auch Schnittstellen zu anderen Disziplinen bereithalten (z.B. Ethik, Recht, Soziologie, Anwendungsfelder).

Individuelle Vorbereitung und Orientierungshilfe für Studierende: KI-gestützte Werkzeuge wie Autograde.AI können bei der Personalisierung und persönlichen Beratung unterstützen. Ich glaube jedoch, dass persönliches Feedback und Erfahrung langfristig einen wichtigen Einfluss behalten werden. Im Gegenteil: Lehrbeauftragte dürften in ihrer zunehmenden Rolle als Coaches/Mentoren den Studierenden wertvolle Hilfe dabei leisten, sich in den von KI beeinflussten akademischen und beruflichen Laufbahnen zurechtzufinden. Die nächsten Generationen werden eine noch tiefere Integration von KI in die Gesellschaft erleben. Daher ist spätestens das Studium der Zeitpunkt, um Studierende anzuregen, sich nicht nur mit technischen Aspekten von KI, sondern auch mit ihren gesellschaftlichem Auswirkungen und ethischen Fragen auseinanderzusetzen.

Fokus auf Vernetzung und Technologietransfer: Besonders an HAWs (Hochschulen für angewandte Wissenschaften) ist Praxisorientierung wichtig. Für KI-Forschung bedeutet dies, praktische Lösungen für reale Probleme umzusetzen. KI-bezogene Hochschullehre sollte daher bereits interdisziplinäre Anwendungsgebiete und eine Vernetzung mit Akteuren aus Gesellschaft und Industrie abbilden. Das unterstreicht die Bedeutung von Technologietransfer und der Zusammenarbeit mit verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Wissen sollte möglichst breit zugänglich gemacht werden. Transparenz, Open-Access- und Open-Source-Ansätze sowie überregionaler und internationaler Austausch können dazu beitragen.

Die KI-Ausbildung an Hochschulen muss also viele komplexe Faktoren einbeziehen. Wenn ich einen besonders hervorheben müsste, dann wäre es das interdisziplinäre Verständnis von KI im Anwendungskontext. Dieses ist auch in der Praxis besonders relevant.

🏢KI-Schulungen im Unternehmenskontext – Verständnis und Akzeptanz fördern

Schulungsmaßnahmen zu KI-Themen sind im Unternehmen sinnvoll. Sie fördern

  • das Verständnis und Kompetenzen für einen verantwortungsbewussten Umgang mit KI,
  • eine realistische Erwartungshaltung bezüglich der Potenziale und Risiken von KI,
  • die Schaffung einer breiten Akzeptanz für unternehmenseigene KI-Initiativen.

Damit können Schulungsmaßnahmen Veränderungsprozesse unterstützen, die mit der Einführung von KI im Unternehmen einhergehen. Für KI-Schulungen im Unternehmenskontext leiten sich daraus folgende Anforderungen ab:

  • Herstellung von Relevanz durch Praxisbezug: KI-Kenntnisse müssen mit direktem Bezug zur konkreten Arbeitspraxis der Mitarbeitenden vermittelt werden (Nutzung relevanter Beispiele).
  • Niedrigschwelliger Zugang: Schulungen müssen auch für Mitarbeitende ohne technisches Vorwissen verständlich und motivierend sein (didaktische Aufbereitung komplexer KI-Konzepte).
  • Schaffung von Raum für Diskussionen und Feedback: Schulungen sind keine Einbahnstraße zu mehr Akzeptanz, sondern bieten eine Gelegenheit zur aktiven Mitgestaltung von KI-basierten Veränderungen im Arbeitsalltag (Einbettung in Change-Management).
  • Fokus auf Verantwortung: Schulungen müssen für den Schutz von Daten und geistigem Eigentum sensibilisieren und ein Bewusstsein für die ethischen Implikationen des Einsatzes von KI schaffen (z. B. Fairness, KI-Ressourcennutzung).

KI-Schulungen im Unternehmen müssen nicht nur die aktuellen KI-Initiativen des Unternehmens im Blick behalten, sondern auch den größeren Kontext der KI-Entwicklungen. Mitarbeitende hören aus verschiedensten Kanälen Impulse zu KI. Das kann auf individueller Ebene Ängste vor Arbeitsplatz- und Kompetenzverlust hervorrufen (siehe Diskussion weiter unten) sowie durch steigende Leistungsanforderungen Stress verursachen. Schulungen im Unternehmenskontext bieten daher eine Chance, KI-Technologien für Mitarbeitende einzuordnen und Ängste und Bedenken effektiv zu adressieren. Damit haben sie auch immer eine gesamtgesellschaftliche Wirkung.

Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden auf KI vorbereiten und ihre Bedürfnisse berücksichtigen, übernehmen folglich einen wichtigen Teil gesellschaftlicher Verantwortung.

Bei Jenoptik ist eine meiner Hauptaufgaben, für den Umgang mit KI zu schulen. Wir bieten dazu “Learning-Sessions” an, erstellen lebendige Schulungsvideos für KI-Tools wie unseren internen Chatbot, und unterstützen einzelne Nutzer. Der Schlüssel zum Erfolg sind zielgruppenorientierte Schulungsmaßnahmen mit praktischen, relevanten Beispielen aus der Arbeitswelt unserer Nutzer.


🌐Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen

🔐 Datenschutz und Kontrolle über KI-Systeme

Personenbezogene Daten von Lernenden und Lehrenden sowie urheberrechtlich geschützte Unterrichtsmaterialien und studentische Arbeiten verdienen besonderen Schutz. So wird verhindert, dass sie unkontrolliert an KI-Anbieter fließen und unautorisiert genutzt werden. Cloudbasierte Lösungen großer (amerikanischer) Tech-Anbieter sind nicht DSGVO-konform. Sie können bei der Prototypenentwicklung helfen (vgl. Autograde.AI), werden aber kaum als langfristige Lösungen geeignet sein. Wir müssen sicherstellen, dass wir die Kontrolle über KI-Systeme haben, damit sie im Einklang stehen – besonders in sensiblen Bereichen wie der Bildung.

🏛️Rechtlicher Rahmen

Für den Einsatz von KI im Bildungsbereich sind rechtliche Rahmenbedingungen wichtig. KI-Systeme für das Bildungswesen dürften auf Basis des EU AI Acts mitunter als Hochrisikoanwendung eingestuft werden. Davon könnte auch Autograde.AI betroffen sein, da die Bewertung von Lernergebnissen den “Verlauf der Bildung und des Berufslebens einer Person entscheiden und daher ihre Fähigkeit beeinträchtigen kann, ihren Lebensunterhalt zu sichern” (Quelle: https://ai-act-law.eu/de/erwg/56/).

Da ich kein Experte für rechtliche Belange bin, beschränke ich mich im Folgenden auf die Aufzählung einiger Bereiche, in denen rechtliche Regelungen notwendig sind.

  • Klare Zuständigkeiten und Haftung bei Fehlverhalten von KI, der Propagation von Fehlinformationen (z. B. KI-Halluzinationen) oder algorithmischer Diskriminierung,
  • Entwicklung von Beschwerde- und Kontrollmechanismen für Lehrende, Lernende und Eltern (Beispiel Autograde.AI KI-Benotungen),
  • Förderungen von partizipativer Bildungspolitik, bei der Lernende und Lehrkräfte mitreden,
  • Klärung des geistigen Eigentums von LLM-generierten Texten.

Die rechtliche Lage muss sich dynamisch an den technologischen Fortschritt anpassen, beispielsweise um dauerhaft Fairness sicherzustellen.

🎓Bildungsgerechtigkeit: Chancengleichheit, Zugang und Teilhabe

Können sich alle Schulen und Hochschulen bzw. alle Lernenden einen LLM-Zugang leisten, der den zuvor genannten Anforderungen genügt? Oder entstehen neue digitale Bildungsscheren? Um Chancengleichheit sicherzustellen, sind u.a. folgende Aspekte wichtig:

  • Öffentliche Förderung des Zugangs zu KI-Tools: Das ist besonders wichtig für strukturschwache Regionen, um Teilhabe sicherzustellen. Gefördert werden sollten:
    • die Entwicklung und Bereitstellung von Infrastruktur und datenschutzfreundlichen KI-Systemen für Schulen und Hochschulen. Open Source KI-Modelle sind dafür prädestiniert, da sie die Abhängigkeit von großen Techkonzernen reduzieren und inklusiv gestaltet werden können.
    • öffentliche und schulische Infrastruktur (Computerarbeitsplätze, Leihgeräte), um Teilhabe für Lernende zu ermöglichen, die selbst keinen Zugriff auf leistungsfähige Geräte und/oder stabiles Internet haben.
  • Chancengleichheit beim Umgang mit LLMs: Ein unbedachter Umgang mit LLMs kann das Eigenengagement von Lernenden reduzieren. Didaktische Maßnahmen sollten daher die Nutzung von LLMs als Lern- und Arbeitswerkzeuge begleiten und einen reflektierten Umgang fördern (das kann z.B. entlang von Plattformen wie Autograde.AI passieren).
  • Finanzierung und Skalierung von gemeinwohlorientierter KI-Forschung: Das betrifft nicht nur den Bildungsbereich. Damit KI langfristig einer gerechten, lebenswerten Gesellschaft dienen kann, braucht es Forschung zu “human-first AI”, etwa zu erklärbarer KI oder zur Unterstützung demokratischer Teilhabe.

Für mich ist Bildungsgerechtigkeit seit bei meiner Zeit als Stipendiat bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (SDW) ein Kernthema. Damals wurde es viel diskutiert im Rahmen der Veröffentlichung des Buchs Herausforderung Bildungsgerechtigkeit. Die SDW adressiert Bildungsgerechtigkeit auch im SDW Studienkompass.


🏘️Langfristige Folgen für Bildungslandschaft und Gesellschaft

Zu den langfristigen Folgen gehören die bereits erwähnten Neugewichtungen von Kompetenzen, eine zunehmende Personalisierung in der Bildung sowie veränderte Rollen von Lehrkräften. Ergänzend dazu sind in der Bildungslandschaft folgende Trends zu beobachten:

  • Das Formulieren von Fragen und Aufgaben wird immer wichtiger (bedingt durch die leichtere Verfügbarkeit von Wissen).
  • Lebenslanges Lernen wird durch personalisierte Lernplattformen und KI-Assistenten erleichtert (und ist auch notwendig).
  • Bildung wird dank KI-basierter Übersetzung und internationaler Lernplattformen globaler.

Es ergeben sich jedoch auch größere bzw. kritische gesellschaftliche Fragen, von denen ich hier stellvertretend zwei auswähle.

❓Werden wir aufgrund von KI immer dümmer?

Diese provokative Frage ist die Fortsetzung einer Debatte, bei der lediglich der Begriff “Websuche” durch KI ausgetauscht wurde. Die Frage liegt scheinbar immer dann nah, wenn eine neue Technologie eine kognitiv anspruchsvolle Aufgabe abnimmt bzw. vereinfacht. Die Debatte wird jedoch oft plakativ geführt. Entsprechend habe ich die These “KI macht uns dumm” bereits in meinem KI-Mythen Review aufgenommen (Mythos 5.3). Aus der dortigen Diskussion:

“Es ist eine Frage unserer Einstellung, ob wir in Gefahr laufen, zu abhängig von Technologie zu werden und unseren kritischen Verstand zu verlieren. In diesem Zusammenhang kommt der Bildung eine wichtige Rolle zu. Letztlich hängt die Wirkung von KI-Technologie davon ab, wie wir sie in unser Leben integrieren.”

Lernende müssen also lernen, KI klug zu nutzen: KI-gestützte Assistenten können Lernprozesse beschleunigen, andererseits aber auch das Lernen hemmen, indem sie selbstständiges Denken und die intensive Auseinandersetzung mit Inhalten verringern. Das zeigt, warum Soft Skills wie die 4K (Kritisches Denken, Kreativität, Kommunikation und Kollaboration) so wichtig sind.

“Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.”

Albert Einstein
🚫Verschwinden bestimmte Fähigkeiten und Berufe?

Die Veränderung von Fähigkeiten (Skills) und Berufen ist nicht neu: Technologische Fortschritte haben schon immer bestimmte Fähigkeiten weniger relevant gemacht, beispielsweise das Reiten durch das Automobil.

Was das Thema heute so präsent macht, ist die anhaltende Beschleunigung der Änderungsgeschwindigkeit. Auf individueller Ebene kann dies diffuse Zukunftsängste auslösen. Die überspitze Formulierung “KI übernimmt unsere Jobs und ersetzt Menschen.” ist dabei die extremste (vgl. mein KI-Mythen Review, Mythos 5.2). Das sollten wir als Gesellschaft gemeinsam thematisieren.

  • Grundsätzlich werden bestimmte Fähigkeiten und Berufe an Bedeutung verlieren. In kurzen Zeitskalen verschwinden Berufe jedoch selten komplett, sondern entwickeln sich eher weiter. Das ist bereits an Tätigkeiten zu beobachten, die stark regelbasiert, repetitiv oder datengetrieben sind (z. B. einfache Buchhaltungsaufgaben), also gut von KI übernommen werden können.
  • Die mehrfach zuvor benannten Kompetenzen (u. a. die “4Ks”) gewinnen in vielen Berufen an Bedeutung, während rein “ausführende Tätigkeiten” abnehmen.
  • Zeitgleich entstehen neue Berufsfelder, beispielsweise im Bereich KI-Training oder menschzentrierter Technologiegestaltung.

Persönliche Risiken lassen sich mindern, indem wir uns kontinuierlich informieren, digitale und KI-Kompetenzen entwickelem, unsere eigenen besonderen Stärken erkennen und einsetzen, flexibel bleiben und offen für neue Rollen und Chancen sind.

Aus Sicht der Chancengleichheit ist es jedoch keine Option, die Verantwortung, mit KI-bedingten Veränderungen der Arbeitswelt umzugehen, auf Einzelne abzuschieben. Stattdessen ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich gemeinsam gezielt auf den KI-bedingten Wandel vorzubereiten. Dafür sind Bildung und Weiterbildung zentral.


🔭Fazit und Ausblick

Bildung ist derzeit ein dynamisches Umfeld, in dem wir die Auswirkungen von KI auf Lernen, Lehren und Chancengleichheit beobachten müssen. Pilotprojekte auf Plattformen wie Autograde.AI bieten hierfür ein großes Potenzial. Sie erlauben, in kontrollierten Umgebungen wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die dann gesellschaftliche und politische Entscheidungen beeinflussen können.

KI kann viel leisten, löst jedoch nicht automatisch alle Herausforderungen und bringt neu mit sich (wie KI-induzierten Bias). KI-Integrationen sollten daher fundamentale menschliche Bedürfnisse respektieren. Dazu gehören die Grundbedürfnisse, autonom und kompetent handeln zu können, sowie das Bedürfnis nach sozialen menschlichen Interaktionen. Vielversprechend sind Integrationen, bei denen Menschen transparent über KI aufgeklärt werden und involviert bleiben (“Human in the Loop”).

Insbesondere im Bildungsbereich sind verbindliche Regelungen, pädagogische Leitlinien und offene Infrastrukturen erforderlich, damit KI unterstützend und gerecht eingesetzt werden kann. Die Integration von KI im Bildungskontext ist disruptiv, weshalb es Widerstände und Herausforderungen geben wird. Die Anerkennung dieser Tatsache und das partizipative Erarbeiten von Lösungen können zu einer nachhaltigen Transformation beitragen. Projekte wie Autograde.AI zeigen nicht zuletzt, dass KI dabei helfen kann, Bildung als höchstes Gut langfristig zu unterstützen.


As always – wishing you wonder and delight. 🌟 Take care – Frank

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